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Bund Deutscher Kriminalbeamter
Landesverband NRW

Auskunft erteilt: Horst Schneider
Kaiserswerther Str. 145 a
47249 Duisburg
Tel: Öl 7 1/28483 11
F.mail: schneider^bdk-nrw.de
Duisburg, 8. Januar 2003
LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
13. WAHLPERIODE

An den
Landtag NRW
Referat 1.1 - Herrn Fröhlecke
Platz des Landtags 1
40221 Düsseldorf
2502
n
Anhörung des Bund Deutscher Kriminalbeamter gem. § 31 der Geschäftsord-
nung des Landtages NRW (öffentliche Sitzung) am 16. Januar 2003

Thema: „Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes und des Ordnungsbehördenge-
setzes" sowie „Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes NRW"
Zum Fragenkatalog nimmt der Bund Deutscher Kriminalbeamter wie folgt Stellung:
Frage 1:
An den Absätzen 2 und 3 der bisherigen Fassung des § 15 a ist kritisiert worden, sie
hätten - jedenfalls teilweise - strafprozessualen Charakter und insoweit sei die
Kompetenz des Bundesgesetzgebers gegeben. Wie sieht es in dieser Hinsicht mit
Absatz 2 der Neufassung aus?
Antwort des BDK:
Der BDK begrüßt außerordentlich die Neufassung des § 15 a Polizeigesetz, da er
eine Forderung erfüllt, die dem BDK sogar so wichtig war, dass er sie dem Landes-
delegiertentag vorgelegt hat. Der BDK sah die alte Norm des § 15 a, die eine Auf-
zeichnung nur bei einer begonnenen oder unmittelbar bevorstehenden Straftat vor-
sah, als für die Praxis völlig ungeeignet an. Die Altregelung erforderte die kontinuier-
liche Beobachtung von Bildschirmen durch Polizeibeamte und das Drücken eines
Aufnahmeknopfes eines Video-Aufzeichnungsgerätes geradezu mit hellseherischen
Fähigkeiten bei unmittelbar bevorstehenden Straftaten oder forderte eine besondere
Aufmerksamkeit, gerade begonnene Straftaten zu erkennen, um dann die Bilder auf-
zuzeichnen.
Die aktuelle Rechtsnorm dient gerade durch die Daueraufzeichnung zu tatrelevanten
Zeiträumen sowohl gefahrenabwehrenden als auch strafverfolgenden Zwecken, wo-
bei der Schwerpunkt auch aus Sicht des BDK eindeutig in der Gefahrenabwehr liegt.
Hier müssen nicht Menschen dauernd eine Vielzahl von Personen in überwachten
Räumlichkeiten beobachten, wobei sich nicht vermeiden ließe, dass sie von vielen
Bewegungen und ihnen bekannter oder ihnen als verdächtige bekannt gewordener

Personen Kenntnis nehmen. Hier werden vielmehr Bilder des Überwachungsberei-
ches von allen Personen aufgenommen, ohne dass sie von Polizeibeamten außer-
halb konkreter Ermittlungsverfahren oder konkreter Projekte vorbeugender Tätigkeit
erkannt oder überhaupt nur visuell zur Kenntnis genommen werden.
Damit stehen sowohl für die Gefahrenabwehr als auch für die Strafverfolgung deut-
lich bessere Datenmengen zur Verfügung wobei gleichzeitig der Eingriff in das Recht
auf informationelle Selbstbestimmung eher reduziert ist. Der BDK begrüßt die Klar-
stellung im Polizeigesetz.
Schnittmengen zu polizeigesetzlichen Normen ergeben sich immer wieder, wenn die
Schwelle zur Straftat überschritten ist. Dies schließt keineswegs eine Normierung im
Polizeigesetz aus, da gerade die Video-Überwachung eher auf die Gefahrenabwehr
als auf die Strafverfolgung ausgerichtet ist.
Frage 2:
Wie sehen Sie den neuen § 15 a in seiner Eingriffstiefe im Kontext zu entsprechen-
den Regelungen in anderen Ländern und halten Sie ihn für verfassungsrechtlich be-
denklich? Wie sind die Erfahrungen mit dem Instrument der Videoüberwachung in
anderen Bundesländern?
Antwort des BDK:
Der BDK hält die Regelungen des § 15 a in seiner Eingriffstiefe vergleichbar mit Re-
gelungen in anderen Ländern und auch für verfassungsrechtlich nicht bedenklich,
sofern bei der Einrichtung jeder einzelnen Videoüberwachung der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit besonders berücksichtigt wird. Der BDK begrüßt aber auch,
dass die Gesetzesnorm nur „Straftaten allgemeiner Art" für die Anwendung der Vi-
deoüberwachung voraussetzt und damit auch diese Möglichkeit für Sachbeschädi-
gungen, Taschendiebstähle und Körperverletzungen offen lässt. Es ist aber gerade
diese Kriminalität, die häufig ohne Berücksichtigung von Opferinteressen als „kleine
Kriminalität" bezeichnet wird, die die Bürger besonders beunruhigen und zu einem
Unsicherheitsgefühl beitragen. Gerade die Täter dieser Straftaten werden sich durch
Videoüberwachungen in einer teilweise noch nicht ausgeprägten Professionalität und
wegen ihrer Angst vor Tatentdeckung durch Maßnahmen der Videoüberwachung von
Straftaten abhalten lassen.
Die Erfahrungen mit dem Instrument der Videoüberwachung in anderen Bundeslän-
dern und speziell im Ausland sind positiv. Der BDK lehnt aber eine „flächendecken-
de" Videoüberwachung ab und plädiert auch dafür, Videoüberwachungen dann ab-
zubauen, wenn ein überwachter Bereich aus unterschiedlichsten Gründen kein Kri-
minalitätsbrennpunkt mehr ist.
Die zu beschaffende Technik sollte so eingesetzt werden, dass sie auch relativ zügig
und mit geringem Kostenaufwand an anderen Kriminalitätsbrennpunkten genutzt
wird. Eine Dauer-Videoüberwachung sollte auf Bereiche begrenzt werden, in denen
eine Vielzahl von Tatgelegenheiten bestehen, die Menschen sehr große Unsicher-
heitsgefühle haben und nachweislich immer wieder Straftaten verübt wurden.

Frage 3:
Dient die Aufzeichnung überhaupt der Gefahrenabwehr und ist die Videoüberwa-
chung als Mittel zur Gefahrenabwehr tauglich?
Antwort des BDK:
Aus Sicht des BDK ist die Aufzeichnung wie schon zu 1. begründet im besonderen
Maße zur Gefahrenabwehr und hier speziell zur Verhütung von Straftaten geeignet.
Täter wollen grundsätzlich nicht bei ihren Taten erkannt und schon gar nicht beweis-
kräftig auf einem Videoband gebannt werden. Sie wollen nicht selber durch die gute
Video-Wiedererkennungsmöglichkeit auf einem Videoband den Beweis für ihr tatbe-
standsmäßiges Handeln liefern und gehen das Risiko einer Identifizierung nach einer
Videoaufnahme nicht ein, wenn sie es vermeiden können.
Videoaufnahmen und auch Fotos mit fest installierten Kameras z.B. in als Tatobjekt
ausgewählten Bankfilialen haben schon vielfach zur Identifizierung der Täter beige-
tragen und halten allein durch ihre Installation Täter von Straftaten ab. Die Zahl der
Täter, die durch solche technischen Überwachungsmöglichkeiten von geplanten Ta-
ten abgehalten werden, lässt sich nicht konkretisieren. Die Erfahrung zeigt nur, dass
überwachte Bereiche deutlich weniger als geeignete Tatobjekte von Tätern eingestuft
und als Angriffsziele ausgewählt werden.
Frage 4:
Beim Abstellen auf „Straftaten" anstelle von „Straftaten von erheblicher Bedeutung"
könnte es zu einem vermehrten polizeilichen Kameraeinsatz kommen. Ist dies im
Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz problematisch?
Antwort des BDK:
Die neue Formulierung, die auf Straftaten allgemein abstellt, erweitert zwar den de-
liktischen Einsatzbereich, was der BDK auf der Basis der Argumentation zu Frage Nr.
2 ausdrücklich begrüßt. Dennoch wird allein auf Grund des Kosten- und Zeitaufwan-
des sowie wegen der Bindung des polizeilichen Personals, die auch mit Videoüber-
wachungsmaßnahmen verbunden ist, die Polizei nur bei Wahrung der Verhältnismä-
ßigkeit einen Kameraeinsatz befürworten.
Es kann aber gerade zu Zwecken der Gefahrenabwehr viel verhältnismäßiger und
wirksamer sein, eine Kamera in einem Überwachungsbereich zu installieren, in dem
eine Vielzahl „kleinerer Straftaten" wie Sachbeschädigungen, Körperverletzungen,
Beleidigungen, BTM-Handelsgeschäfte usw. stattfinden, als eine Installation von Vi-
deokameras bei lediglich 1-2 Straftaten von erheblicher Bedeutung gem. der alten
Rechtsnorm.
Der BDK hält es allerdings für erforderlich, dass über Verwaltungsvorschriften gere-
gelt wird, dass die Polizei einen Videoeinsatz hinsichtlich seiner zeitlichen Dauer und
bei der Begründung dieses Kameraeinsatzes auch dokumentiert, welche konkreten
Straftaten Anlass für die Videoinstallation sind. Der BDK hält es jedoch nicht zwin-
gend für erforderlich, rund um die Uhr an allen überwachten Plätzen eine Videotech-
nik einzusetzen, weil es verhältnismäßiger sein kann, nur zu bestimmten konkreti-
sierbaren wahrscheinlich Tatzeiten oder mit Gefahrensituationen belegten Zeiten ei-

ne Videoüberwachung zu schalten und zu anderen Zeiten bewusst darauf zu ver-
zichten. Der Präventionseffekt entsteht hier dennoch, da den Straftätern kaum be-
kannt sein dürfte, wann es zu einer Aufzeichnung kommt. Auch die Überwachungs-
kameras für Geschwindigkeitssünder sind nicht ständig mit einer Kamera bestückt.
Frage 5:
Wie bewerten Sie die Auswertung des Modellversuchs Videoüberwachung „Ravens-
berger Park" in Bielefeld?
Antwort des BDK:
Der BDK sieht die Auswertung des Modellversuchs Videoüberwachung in Bielefeld
als eine Bestätigung für die Geeignetheit der Maßnahme trotz damals deutlich ver-
besserungsfähiger Rechtsgrundlage, die erst mit dem neuen Gesetz erreicht wird.
Der BDK geht davon aus, dass Erfahrungsberichte, .die sich auf das neue Gesetz
stützen, noch deutlich positiver ausfallen werden, zumal es gelingen wird, über die
Videoaufzeichnungen teilweise Serientäter und Straftäter für Straftaten von erhebli-
cher Bedeutung zu ermitteln.
Frage 6:
Wie definieren Sie den Begriff „Kriminalitätsbrennpunkt"? Nach welchen Kriterien
sollte vor Ort entschieden werden?
Antwort des BDK:
Ein Kriminalitätsbrennpunkt sollte in Abhängigkeit von der Schwere und der Häufig-
keit der dort beobachteten Straftaten definiert werden. So könnte ein solcher Brenn-
punkt schon bei wenigen Straftaten von erheblicher Bedeutung in etwas längeren
Zeitabständen von z.B. einer Woche genau so begründet werden wie in Fällen, in
denen nahezu täglich Straftaten von geringerer Bedeutung in dem zu überwachen-
den Bereich festgestellt werden.
Es wäre wenig sinnvoll, hier landesweit Kriterien von Häufigkeit und Intensität der
Straftaten anzulegen, da sich in einem ländlichen Bereich schon eine Anhäufung von
Sachbeschädigungen oder einzelnen Taschendiebstählen im Empfinden der Bevöl-
kerung zu einer deutlich größeren Gefahr auswachsen kann als in einem städtischen
Bereich mehrere Handtaschenraubüberfälle. Vor Ort sollte deshalb immer eine Ab-
wägung erfolgen, welche Bedeutung die an dem definierten Kriminalitätsbrennpunkt
verübten Straftaten für die gesamte Region haben, ob es hier eine wirkliche Häufung
gibt und ob die Videoüberwachung auch geeignet ist, diesen Brennpunkt zu beseiti-
gen und auch Straftäter an diesem Brennpunkt beweiskräftig zu überführen.
Frage 7:
In der Debatte um Videoüberwachung im öffentlichen Raum ist oft von Verdrängung
der Kriminalität die Rede. Wie schätzen Sie die Verdrängungsproblematik hinsichtlich


Es ist auch in einem solchen Modell nicht mehr nötig, Überwachungsmonitore mit
polizeilichem Personal zu besetzen. Dies kann auf Fälle beschränkt werden, in de-
nen auf Grund der hohen Kriminalitätsbelastung eines überwachten Raumes Sofort-
maßnahmen getroffen werden müssen.
Frage 9:
Wie sollen Aufzeichnungsanlagen und Löschungsfristen aussehen?
Antwort des BDK:
Die Regelung des § 15 a Abs. 2, dass die gewonnenen Daten grundsätzlich höch-
stens für die Dauer von 1 Monat gespeichert werden dürfen, reicht aus. Es ist davon
auszugehen, dass sich spätestens in dieser Zeit Geschädigte gemeldet haben und
auch Videoaufzeichnungen in anderen im Gesetz vorgesehenen Zwecken in diesem
Zeitraum regelmäßig ausgewertet werden können.
Der BDK begrüßt den Gesetzentwurf ausdrücklich. Er dient der Klarstellung und ver-
größert die Palette möglicher geeigneter Interventionsmaßnahmen.
Mit freundlichem Gruß
Horst Schneider
Stellv. Landesvorsitzender