Presseerklärung des FoeBuD e.V. zur Erweiterung des Polizeigesetzes in NRW

Bürgerinnen und Bürger wollen keine Überwachung sondern Sicherheit!

Anzahl der Straftaten seit Installation der Videoüberwachung um 50% gestiegen!

Mit Datum 17.7.2002 veröffentlicht das Innenministerium NRW eine Presseerklärung, dass in NRW zukünftig in "Kriminalitätsbrennpunkten mit gezielter polizeilicher Videoüberwachung auch gegen Diebstahl, Körperverletzung und Sachbeschädigung" vorgegangen werden soll. Als ein sogenanntes Pilotprojekt wurde in Bielefeld von Ende Februar 2001 bis Ende März 2002 ein öffentlicher Park überwacht.

Dabei verweist das Innenministerium auf die "erfolgreichen Zahlen des Bielefelder Modellprojekts". Tatsächlich gibt es solche "erfolgreichen Zahlen" nicht: Die Zahl der Straftaten im Ravensberger Park ging bereits im Jahr 2000 entscheidend zurück — das war also 1 Jahr vor der Installation der Überwachungsanlagen im Ravensberger Park. Dieser Argumentation folgend können wir heute völlig zu Recht behaupten, dass die Zahl der Straftaten im Park seit Installation der Kameras um 50% gestiegen ist - von 6 Straftaten im Jahr 2000 auf 9 Straftaten im Jahr 2001).

Der tatsächliche Rückgang vor Installation der Kameras hatte andere Gründe: Das Gelände wurde aufgeräumt, Sträucher zurück geschnitten, eine Ruine entfernt resp. renoviert, neue Beleuchtung installiert. Die Angebote für Alkohol- und andere Suchtkranke wurden deutlich verbessert, so dass für diese keine Notwendigkeit mehr bestand, sich im Park aufzuhalten.

Im Bericht des Polizeipräsidiums an das Innenministerium NRW wurden Informationen unterschlagen und geschönt:

  • Gelogen ist: "Es gab eine positive Prüfung durch die Landesdatenschutzbeauftragte". Falsch: Die Landesdatenschutzbeauftragte hat sich vehement gegen die Videoüberwachung ausgesprochen.
  • Gelogen ist, dass "das öffentliche Interesse insgesamt eher unauffällig" war: Richtig ist, dass die Medien in Bielefeld das Thema nicht in der angemessenen Art und Weise aufgegriffen hatten. Kritische Briefe von Leserinnen und Lesern wurden nicht veröffentlicht.
  • Richtig ist: Tatsächlich haben vielfach Protestaktionen von Bürgerinnen und Bürgern mit unterschiedlichen Aktionsformen stattgefunden:
    • Mindestens zwei Demonstrationen;
    • ein Infostand in der Bielefelder Innenstadt;
    • eine Kunstaktion im Ravensberger Park;
    • eine Kunstaktion in der Innenstadt;
    • bei der Pressekonferenz zur Installation der Videoüberwachung waren protestierende Bürgerinnen und Bürger mit Transparenten anwesend;
    • und es fand ein bundesweites Seminar des FoeBuD e.V. für Lokalpolitikerinnen und -Politiker zum Thema Videoüberwachung (mit Besichtigung des Monitorraums im Polizeigebäude und Bahnhof) in Bielefeld statt.
  • Richtig ist: Ein Bürger hat gegen das Modellprojekt Klage eingereicht.
  • Richtig ist: Von positiven Erfahrungen kann keine Rede sein, denn die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Schon vor der Installation der Videoüberwachung wurden von etwa 23.000 Straftaten nur 0,2 Prozent im Ravensberger Park verübt. Im gesamten Jahr 2000 waren es nur 6 Delikte.
  • Richtig ist: Eine Evaluation des sogenannten Modellprojektes Videoüberwachung kann es wegen fehlender Zahlen nicht geben. Das bestätigte auch der beauftragte Gutachter, Prof. Dr. Klaus Boers vom Institut für Kriminologie der Universität Münster.

Dies alles wurde größtenteils unterschlagen, um in Düsseldorf zu suggerieren, dass es der Öffentlichkeit sowieso egal sei.

Die Argumente gegen Videoüberwachung haben wir vielfach in die Diskussion getragen und sie sind unwiderlegt:

Video- und Kameraüberwachung ist unsinnig:

  • Videoüberwachung hilft konkret keinem Opfer. Wer in eine unangenehme Situation kommt, wer überfallen wird, braucht sofortige Hilfe durch andere Menschen, die einschreiten. Eine Aufzeichnung des Vorfalls kann bestenfalls nachträglich für die Ermittlungen der Polizei verwertet werden.
  • Videoüberwachung ist sinnlos zur Senkung der Kriminalität: Es wird eine Verdrängung der Szene in andere Stadtteile (Einkaufsstraßen, Wohngebiete) geben. Konsequent zu Ende gedacht führt das langfristig zu einer flächendeckenden Videoüberwachung.
  • Videoüberwachung verletzt die Rechtsstaatlichkeit (die Unschuldsvermutung wird außer Kraft gesetzt, wenn alle dauernd beobachtet werden und damit als potentielle Straftäter/innen behandelt werden) und die Würde des Menschen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem bekannten Volkszählungsurteil (1983) festgestellt, dass Menschen, die damit rechnen müssen, dass all ihre Handlungen registriert und gespeichert werden, alles tun werden, um nicht aufzufallen. Sie werden also z.B. vermeiden, zu einer öffentlichen Versammlung oder zu einer Bürgerinitiative zu gehen, also ihre Grundrechte nicht mehr wahrnehmen. Damit schadet eine solche Überwachung nicht nur der individuellen Entfaltung einzelner Menschen, sondern auch dem Gemeinwohl.

Wem nützt die Videoüberwachung eigentlich?

  • Videoüberwachung nützt populistischen Politikern, die mit ihr suggerieren können, dass sie etwas für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger tun. Das zwar bringt gar nichts, behauptet aber, dass etwas getan wird: Videoüberwachung ist ein Mittel symbolischer Politik.
  • Videoüberwachung nützt Herstellerfirmen, die Kameras verkaufen und installieren.
  • Videoüberwachung nützt Firmen, die die Wartung übernehmen.
  • Videoüberwachung nützt vor allem Firmen, die Standleitungen anbieten: Vor einigen Jahren noch zahlte die Polizei in Köln monatlich 8.000 DM (ca. 4.000 Euro) für jede Leitung zu einer Notrufsäule. Bisher wurde stets darüber geschwiegen, was jede Leitung von einer Kamera zur Überwachungszentrale kostet. Keines der Modellprojekte zur Videoüberwachung in Deutschland hat bisher die Zahlen veröffentlich, was die Überwachung monatlich kostet.

Angeschoben und mit Macht vorangetrieben wird dies durch die Lobbyarbeit des ZVEI (Zentralverband der Elektrotechnik- und Elektroindustrie).

Selbst wenn wir es als einen wünschenswerten Aspekt ansehen sollten, dass viel Steuergeld in den Taschen einiger weniger Leitungsklüngelbarone wandert, ist die Gefahr für unsere Demokratie, die durch Überwachungssysteme in öffentlicher und privater Hand gegeben sind, nicht hinzunehmen.

Fazit:

Wir stellen fest:

  • Das Pilotprojekt Videoüberwachung war objektiv nicht erfolgreich.
  • Der Bericht des Innenausschusses ist nicht wahrheitsgemäß beziehungsweise lässt vorsätzlich entscheidende Fakten aus, die gegen Videoüberwachung sprechen.
  • Aufgrund eines solchen wissentlich falschen Berichtes eine schwerwiegende Gesetzesänderung zu veranlassen ist unverantwortlich.

Wir fragen uns insbesondere, ob die beiden grünen Minister im Kabinett völlig ahnungslos sind, tief und fest geschlafen haben oder ob ihnen Bürgerrechte mittlerweile so egal sind, dass sie diese der F.D.P. überlassen wollen...

Für den FoeBuD e.V., Bielefeld, 18.7.2002
Rena Tangens, padeluun, Tom Budewig

FoeBuD e.V.
Marktstrasse 18
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Tel: 0521-175254
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Diese Pressemitteilung kommt vom FoeBuD e.V., der sich 1987 als Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs gründete. Bekannt wurde der Verein durch Vernetzungsarbeit im Zerberus-Netz, seine Mailbox BIONIC, das Friedensnetzwerk ZaMir in Ex-Jugoslawien, das deutschsprachige Handbuch zu dem Verschlüsselungsprogramm Pretty Good Privacy (PGP), die jährliche Verleihung der BigBrotherAwards und seine monatliche Veranstaltungsreihe PUBLIC DOMAIN zu Themen aus Zukunft und Technik, Wissenschaft und Politik, Kunst und Kultur.