Schönen guten Abend meine Damen und Herren,

Sie halten ein ganz besonderes Buch in den Händen. Vielleicht ist es am besten als eine Art Programmzeitschrift zu beschreiben. Die Sendungen, an denen Sie schon in Kürze teilnehmen können, werden 24 Stunden am Tag ausgestrahlt und dank der modernen Technik, die diese Brechtsche Radioshow (zu empfangen auf McLuhans magischen Kanälen) benutzt, sitzen Sie nicht nur in der ersten Reihe -- nein, Sie sitzen mittendrin. Sie sind ZuschauerIn, IntendantIn und RedakteurIn in einer Person. Sie haben ein Buch in den Händen, das Sie in die Welt der Computervernetzung einführt.

Computervernetzung, das klingt nach komplizierter Technik, die nur noch von SpezialistInnen zu bedienen ist. Das klingt nach Technik, die einsam macht und nur noch den Pizzabringdienst als einzige "Schnittstelle" (so reden Computerfreaks!) zur Außenwelt zuläßt. Alles falsch!

Computervernetzung, das bedeutet zunächst Vernetzung. Vernetzung ist ein sozialer Akt, der auf der Erkenntnis beruht, daß viele Menschen zusammen mehr wissen, als der einzelne. Ehemals technikfeindliche "linke" oder "alternative" Gruppen arbeiten schon seit Jahren mit der Vernetzung (nicht nur über Computer, aber in letzter Zeit immer verstärkter). Welche Umweltgruppe beschäftigt sich noch mit dem Thema Solarenergie? Wie kann ich Kontakt mit FriedensaktivistInnen in Bosnien aufnehmen? Gibt es spezielle feministische Herangehensweisen an das Männerspielzeug Computer? Welche KollegInnen aus den Betriebsräten sind denn bereits über die elektronische Post erreichbar? Auf all diese unterschiedlichen Fragen gibt es eine Antwort: Fragen Sie das Netz!

Der erste Teil dieses Buches handelt deshalb von den Menschen, die die Vernetzung möglich machen. Alternative und weniger alternative BürgerInnenNetze stellen sich vor: Z-Netz, /CL-Netz, APC, SoliNet, WOMAN, FemNet und ZAMIR werden in den Worten ihrer "SchöpferInnen" beschrieben. Wir haben diesen Teil an den Anfang gestellt, da vor dem "know-how" der Vernetzung das "know-why" klar sein muß. Wenn Sie die Vorstellungen der Netze gelesen haben, dann wissen Sie wahrscheinlich, an welche Gruppe Sie sich wenden werden, um endlich "ins Netz" zu kommen.

Um die Technik werden Sie trotzdem nicht ganz herumkommen. Davon handeln der zweite und dritte Teil dieses Handbuches. In der Steinzeit der Vernetzung (also vor etwa 5-10 Jahren, die Zeitrechnung in der Elektronik geht etwas schneller) war die Datenfernübertragung eine recht unerquickliche Sache: Die meisten MailBoxen hatten nur eine Telefonleitung, die häufig besetzt war, und wenn ich endlich durchgekommen war, dann war die Recherche im Netz meist mit einem bangen Blick auf den ratternden Gebührenzähler verbunden. Mit dem Programm CrossPoint war diese prähistorische Phase für die IBM-kompatibelen Computer beendet. Der eigene PC zuhause wird zur persönlichen MailBox, in der ich nach Herzenslust schreiben, lesen und suchen kann. Das ist die Technik des Points, die sich mittlerweile als bequemste Möglichkeit der MailBox-Nutzung durchgesetzt hat. Wenn ich meine frisch verfassten Nachrichten dem Netz zugänglich machen will, wird daraus ein kompaktes Datenpaket geschnürt, das schnell und einfach (meist innerhalb einer Gebühreneinheit) übertragen werden kann. Gleichzeitig übermittelt mir die MailBox meine neue Post und die Konferenzen, für die ich mich interessiere. Der zweite Teil dieses Buches stellt das umfangreiche Programmpaket CrossPoint von Peter Mandrella vor. Wenn Sie diesen Teil durchgearbeitet haben, dann sind Sie bereits ein echter Netzprofi, der beim Diskurs in den BürgerInnenNetzen mitarbeiten kann.

Der dritte Teil ist für die Leute gedacht, die mehr wissen wollen: Leute, die auch die Technik hinter der geheimnisvollen Kiste, die sie mit dem Netz verbindet, verstehen wollen. Er handelt von dem vielseitigen Höllenhund ZERBERUS, der für die Vernetzung in den meisten MailBoxen in den BürgerInnenNetzen sorgt. Im Prinzip ist die Datenfernübertragung ja ganz einfach: Solange Sie sich an Standards halten, werden Sie nicht viele Probleme mit dem Anschluß ans Netz haben. Aber vielleicht haben Sie im Büro einen exotischen (oder gar nicht so exotischen, auf jeden Fall nicht IBM-kompatibelen) Computer stehen, auf dem CrossPoint nicht laufen will. Vielleicht wollen Sie auch selbst eine MailBox betreiben oder dem Betreiberteam vor Ort ein bißchen beim Support und der Systempflege helfen. In all diesen Fällen werden Sie nicht ohne die Kenntnis der Online-Oberfläche von ZERBERUS auskommen. Blättern Sie ein wenig in diesem Teil herum und Sie werden mit Sicherheit die eine oder andere Einstellung finden, die Sie sich in der täglichen Netzarbeit schon immer gewünscht haben.

Die Programmübersicht für Ihren Einstieg in die Datennetze sollte Ihren Einstieg in die Vernetzung verständlich gestalten. Wir haben dieses Buch zusammengestellt, weil wir selbst von den Möglichkeiten der Vernetzung begeistert sind und möglichst vielen Leuten das mächtige Werkzeug "Datennetze" in die Hände geben wollen. Eigentlich soll es alles so einfach sein, wie Brecht es in seiner Vision vom Radio mit Rückkanal erträumte. Ganz so weit sind wir noch nicht, aber es geht ganz in diese Richtung. Blättern Sie also einfach um und beginnen Sie mit Ihrer ganz persönlichen Arbeit am Globalen Dorfbrunnen. Schalten Sie ein, vernetzen Sie sich, legen Sie los! Ich hoffe, man liest sich...

Jens Ohlig