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Zamir ist serbokroatisch und bedeutet "für den Frieden". Als 1991 die
Kriegsgegner und Menschenrechtsgruppen in Ex-Jugoslawien begannen, sich zu
organisieren, stießen sie auf massive technische
Kommunikationsprobleme. Der Krieg, der in Kroatien ausgebrochen war, hatte
die herkömmlichen Nachrichtenkanäle zerstört. Nicht nur,
daß es unmöglich geworden war, von Kroatien nach Serbien zu
reisen, auch die Post- und Telefonverbindungen zwischen den beiden
Republiken waren weitgehend unterbrochen. Zagreb und Belgrad waren
praktisch voneinander abgeschnitten.
Der Traum. Nur zu Nachtzeiten kamen auf den wenigen, überlasteten Leitungen, die übrig waren, Verbindungen zustande. Einzig die Telefonverbindungen ins Ausland waren erstaunlicherweise erhalten geblieben. Die Kommunikation mit Modems und Computern Müßte daher funktionieren, fandEric Bachman, Online-Spezialist von der Bielefelder Bionic-Mailbox. Also brach Bachman 1991/92 von Ostwestfalen aus in dfas Kriegsgebiet auf und machte sich an die Errichtung des Zamir-Netzes. Die Friedensgruppenin Jugoslawien erhielten von ihm Modems, und Bachman gelang es, zunächst eine Verbindung zwischen dem bestehenden AdriaNet und dem britischen GreenNet aufzubauen. Zusammen mit Wam Kat, einem niederländischen Freiwilligen, entstanden im Juli 1992 zwei weitere Mailboxen in Zagreb und Belgrad - Zamir-ZG und Zamir-BG. Ein alterLaptop mußte zunächst genügen. Als Knoten zwischenden beiden Rechnern diente die Bielefelder Bionic, die über das Zerberus-Netz die Internet-Anbindung bereitstellte. Damit war nicht nurder Nachrichtenaustausch zwischen den beiden Städten, sondern mit der ganzen Welt. Die Wirklichkeit. Heute überziehen sechs Zamir-Mailboxen das ehemalige Jugoslawien: in Belgrad, Zagreb, Ljubljana, Pristina, Sarajevo undTuzla. Hochwertige Modems erlauben - trotz schlechter Leitungsqualität - bis zu zwölfmal täglich einen Datenaustausch zwischen den Systemen. Unterbrechungsfreie Stromversorgungen überbrücken häufige Stromausfälle. Nachrichten, die über das ZTN versendet werden, treffen innerhalb von zwei bis vier Stunden beim Empfänger ein. Zamir steht heute allen friedensorientierten Personen und Gruppen offen, humanitären Organisationen ebenso wie unabhänigen Medien und Berichterstattern, die mit dem Projektziel - der Verständigung zwischen den Völkern Jugoslawiens - konform gehen. Es hilft Menschen und Familien, die der Krieg auseinandergerissen hat, wieder in Kontaktzu kommen. In ganz Bosnien trotzen heute mehr als 500 Internet-Benutzer so der serbischen Kommunikationssperre. Eine der Gruppen, die Zamir für ihre humanitäre Arbeit nutzen, ist die Frauenhilfsorganisation Medica-Zenica. "Wir wickeln fast unsere gesamte Organisation und Logistik über das E-Mail System von Zamir ab. Fast alle Bestellungen für Lebensmittel und Medikamente laufen überdas Netz", sagt Birgit Abel vom Kölner Medica-Büro. Für Zamir geht der Kampf ums Überleben weiter. Obgleich seit vergangenem Jahr von den Benutzern in Belgrad und Zagreb Gebühren erhoben werden, decken diese bei weitem nicht die monatlichen Betriebskosten von zehn- bis zwölftausend Mark. Und vor allem in Bosnien, wo der Krieg nicht nur das Land, sondern auch die Wirtschaft zerstört hat, ist nicht daran zu denken, daß Zamir sich aus eigener Kraft finanziert. So ist das Projekt Zamir nach wie vor auf Spenden aus dem Ausland angewiesen, um im ehemaligen Jugoslawien das zu ermöglichen, was nicht nur in den Staaten Europas seit über zweihundert Jahren als Grundrecht aufgefaßt wird: dasRecht auf freie Rede und Information. |
Communication Aid: Ein Projekt setzt sich durchDas Zamir-Mailboxnetzwerk ist der erste erfolgreiche Versuch des Projekts "Communication Aid", mit moderner Kommunikationstechnik im Jugoslawienkrieg der Menschlichkeit zu dienen. Eine Reihe von Gruppen und Freiwilligen tragen das Projekt, voran das Zentrum für Kultur und Frieden in Ljubljana, das deutsche Zerberus-Mailboxnetz (www.zerberus.de) mit den DFÜ-Legenden padeluun und Rena Tangens von der Bielefelder Bionic-Mailbox, GreenNet (London), Link-ATU (Wien), APC, CL-Netz und andere. Finanzielle Unterstützung erhalten sie u.a. von internationalen Menschenrechtsgruppen.Dragica aus Sarajevo: "Hoffnung schöpfen aus dem Netz"Die 18jährige Dragica ist eines der ungezählten Opfer des Bürgerkriegs. Ihre Eltern, mit denen sie im moslemischen Teil Sarajevos lebte, wurden von marodierenden Soldaten umgebracht. Sie selbstwar dem Terror nur entkommen, weil sie einem der Soldaten gefiel. Zwei Ärztinnender Frauenhilfsorganisation Medica-Zenica lasen sie in einem Flüchtlingslager in Putovic auf, in dem sie viele Monate verbracht hatte. Über Zamir-Net hat Dragica wieder Kontakt zu Menschen gefunden, denen sie vertraut. Mit ihrer Freundin Kristina, die nach Kriegsausbruch nach Schweden geflohen war, tauscht sie regelmäßig elektronische Briefe aus. Dasgebe ihr wieder Hoffnung, sagt sie. Irgendwann will sie vielleicht auch nach Schweden, wie Kristina, denn sie glaubt nicht an den neuen Frieden in ihrer Heimat.Lektüre-Tip: Kriegstagebuch und MailboxtipsWam Kats Kriegstagebuch und einige andere Beiträge aus dem Zamir-Netz sind regelmäßig in den Internet-Newsgroups soc.culture.yugoslavia, soc.culture.croatia und soc.culture.bosna-herzgvna zu finden.Über Geschichte und Hintergründe des Zamir-Netzwerks gibt das Buch "Mailbox auf den Punkt gebracht" (ISBN 3-9802182-6-0, 42 Mark) detailliert Aufschluß. Es ist über den Buchhandel oder direkt beim FoeBuD e.V., Marktstr. 18, 33602 Bielefeld, gegen Einsendung eines Verrechnungsschecks über 47 Mark (inclusive Porto) erhältlich. |
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