Frequently Asked Questions

F: Warum soll ich denn mein Leben nicht offenlegen? Nur wer etwas zu verbergen hat, regt sich auf über "Registrierung" und "Überwachung".

Vor nicht allzu langer Zeit gehörte es zu dem Respekt vor anderen Leuten, daß man es unanständig fand, ihre Privatsachen auszuforschen. Und man hatte auch den Selbstrespekt, dafür Sorge zu tragen, daß niemand in unseren eigenen Angelegenheiten herumschnüffelt.

Inzwischen ist es sehr in Mode gekommen, sich auszustellen. (Ich denke nur an all die Familien und Paare, die ihre intimen Geheimnisse in Talkshows ausbreiten.) So sind wir besessen geworden, gegenseitig Geheimnisse auszugraben und die Wäsche anderer Leute zu waschen -- sei sie nun schmutzig, sauber oder einfach privat.

Wer sagt, er habe nichts zu verbergen, tut dies oft mit einem gewissen Glanz in den Augen und einem Finger, der anklagend auf andere zeigt. Aber ich garantiere Ihnen, niemand möchte, daß wirklich jeder Teil seines Lebens öffentlich bekannt ist. Obwohl die Medien es uns vielleicht anders weismachen wollen: Bei dem Wunsch nach Privatsphäre geht es nicht darum, seine schmutzigen Angelegenheiten zu verbergen. Es geht darum, nicht den bohrenden Blicken anderer Leute ausgesetzt zu sein. Das ist ein sehr wichtiger Unterschied.

Wenn Sie Ihr Leben wirklich offenlegen wollen, habe ich einige Fragen an Sie. Schließen Sie die Tür, wenn Sie die Toilette benutzen? Widerstehen Sie dem Reiz, sich in der Schamgegend zu kratzen oder in der Nase zu bohren, wenn man Sie dabei beobachten kann? Wenn Sie ein Streitgespräch mit Ihren Kollegen haben, senken Sie die Stimme, wenn ihr Chef zur Tür hereinkommt? Setzen Sie sich ein wenig aufrechter hin und suchen Sie Ihre Kleidung sorgfältiger aus, wenn Sie jemanden beeindrucken wollen?

Wenn Sie diese Fragen mit Ja beantworten, sind Sie ein ganz normaler Mensch. Sie sind auch -- ob Sie es mögen oder nicht -- ein Verfechter der Privatsphäre. (Wenn Sie einige Fragen mit Nein beantwortet haben, brauchen Sie eigentlich einen Schnellkurs in gesellschaftlich akzeptierten Verhaltensregeln.) Alle meine Fragen zielten auf den Unterschied zwischen der privaten und der öffentlichen Persönlichkeit. Bei den Beispielen habe ich mich auf solche beschränkt, für die es einen breiten gesellschaftlichen Konsens gibt. Aber es gibt viele andere Aktivitäten, die Privatheit brauchen und verdienen, so viele, wie es Menschen gibt.

Eigentlich solten doch alle unsere Aktivitäten, solange sie nicht anderen Menschen wehtun, vor Beobachtung geschützt sein. Überfällt Sie manchmal beim Duschen der unwiderstehliche Reiz, Ihre Lieblingsmelodie zu schmettern, obwohl Sie keinen Ton halten können? Schreiben Sie herzzerreißende Liebesgedichte? Malen Schnurrbärte auf Fotos von Supermodellen? Trinken Milch direkt aus der Packung? Kauen Sie Ihre Fingernägel? Ihre Zehennägel? Lutschen Sie am Daumen? Schlafen mit einem Teddybär? Führen Sie Regentänze in Ihrem Wohnzimmer auf? Wischen Sie Ihren Küchenfußboden am liebsten mit einem Supermann-Cape bekleidet? Pflegen Sie tiefschürfende Konversation mit Ihrem Goldfisch? Natürlich müssen Sie gar keine dieser Hobbies haben -- und es würde mich absolut nichts angehen, wenn doch -- aber sicher fallen Ihnen einige Ihrer seltsamen Eigenarten ein, mit denen Sie selbst die Liste verlängern könnten.

Tun solche Sachen irgendjemandem weh? Unsinn, natürlich nicht. Sind sie merkwürdig? Nun, vielleicht, und deshalb möchten wir nicht, daß unser Nachbar, ein RTL-Filmteam oder ein BND-Agent uns dabei beobachtet.

Das Bedürfnis, Zeit ganz für sich allein zu haben, für ganz private Aktivitäten (oder Einkäufe), ist nicht die Scham eines Menschen, der etwas zu verbergen hat. Es ist eine Zuflucht für die Seele, die höchst empfindlich ist für die Meinung anderer Menschen, und die sich dann und wann einfach mal befreit austoben muß. Das Zusammenleben mit anderen Menschen sorgt immer wieder für erheblichen Streß. Wenn wir niemals die Möglichkeit hätten, ganz wir selbst zu sein, etwas vielleicht seltsames (aber eigentlich harmloses) zu tun, dann würden wir wahrscheinlich verrückt werden.

Geben Sie also sich selbst und Ihrem Nachbarn ein wenig Ruhe voreinander. Genießen sie etwas Zeit für sich, genießen Sie es, unbeobachtet zu sein. Und zeigen Sie nicht mit dem Finger auf andere, die diese Freiheit auch für sich haben wollen.

Nächste Frage
Alle Fragen


CASPIAN
Consumers Against Supermarket Privacy Invasion and Numbering
An information clearinghouse and resource for community and national action

© 1999-2002 Katherine Albrecht. All rights reserved.

© WWW-Administration,